ΠΛΟΚΕΣ ΙΙ (Plokés II) für Flöte, Violoncello und Klavier (2014)
Das Wort ‚πλοκές‘ könnte etwa mit (Ver)Dichtungen oder Verflechtungen übersetzt werden, wobei sowohl Verflechtungen des Schicksals als auch (Ver)Dichtungen der Sprache gemeint sind. Auch die Komposition kann als ein Vorgang des Dichtens und Verflechtens betrachtet werden, der zunächst einen komplexen Zeichentext produziert, aus dessen Realisierung ein komplexer Klangkörper entsteht. Musik als Schnittstelle zwischen Körperlichkeit und Geistigkeit: einerseits haben wir mit vielfältigen Klängen und Klangkomplexen zu tun, die in ihrer physischen Elementarkraft unmittelbar wahrgenommen werden; andererseits geht es aber nicht nur um ‚Klänge‘, denn sie besitzen eine interne Organisation, sie sind in ein Ganzes und innerhalb einer konkreten zeitlichen Ordnung eingefügt, so dass daraus eine Struktur, gewissermaßen auch eine Syntax entsteht. Können Klänge, Strukturen, Syntax und Form auch eine Bedeutung haben?
ΠΛΟΚΕΣ ΙΙ beginnt mit einem einleitenden Gestus (ΕΙΣΟ∆ΟΣ), der uns symbolisch und mental in eine Art poetische Wirklichkeit hinführt. Es folgt ein Gesang (Geflecht) aus mikrointervallisch gefärbten Lineaturen, der anschließend der größten formalen Zerrissenheit überführt wird: kurze klangliche ‚Inseln‘ werden ständig von der Stille unterbrochen (oder durch die ‚Kälte‘ paralysiert), vermögen kaum einen Bogen, eine Kontinuität herzustellen. Diese Gebrochenheit mündet dann in einen ruhigen Abschnitt, der zwischen Ton und Tonlosigkeit pendelt (und dadurch die zentrale Symbolik der ΕΙΣΟ∆ΟΣ wieder aufgreift). Die Musik nimmt allmählich ihren Lauf, ohne aber ihre innere Zerrissenheit vollständig abschütteln zu können: zwar verhallen die musikalischen Gedanken nicht mehr in die Stille (Leere), jedoch scheinen die Gedankenwelten sich aus vielen verschiedenen ‚Keimen‘ heraus zu entwickeln, ohne sich zu einem ‚Bogen‘ richtig spannen zu lassen. Oder doch? Nach einer rekursiven Zeitgestik, die das Geschehene reflektiert und gleichzeitig mit Nicht-Klang perforiert, erreicht die Musik die Paradoxie eines gesanglichen Pizzicatos: das Cello darf, muss sogar singen (!), dennoch nicht mit der natürlichen Gesanglichkeit seiner gestrichenen Saiten bei schön geschliffenen Kantilenen sondern mit dem kurzlebigen, kaum ausdrucksfähigen Pizzicato bei quasi schicksalhaften, gesetz-artig fallenden Linien. Die ΕΞΟ∆ΟΣ führt uns dann aus der poetischen Wirklichkeit wieder zurück, wohin?
In ΠΛΟΚΕΣ ΙΙ verdanke ich strukturelle, formale und weitere kompositorischen Ideen der Auseinandersetzung mit der Dichtung Paul Celans und insbesondere mit dem Gedicht „Fadensonnen“ aus der Sammlung „Atemwende“ (1967). In diesem Sinne ist die Komposition eine Hommage an diesen großen Dichter deutscher Sprache und an sein tragisches Schicksal. Das Stück ist für das Trio IAMA geschrieben worden.
Entstehung | Auftragswerk des Ensemble IAMA |
Dauer | ca. 18 Min. |
Besetzung | Flöte (auch Piccoloflöte), Cello, Klavier |
Aufführungen (Auswahl) |
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