immanENtia, Studie Nr. 3 für Klavier (2017)

immanENtia, das letzte Stück meines Zyklus von drei Studien für Klavier (Linie – Raum – Erinnerung, Blue Notes, immanENtia), ist vor allem eine Studie über Form.

 

Mit Form ist hier vor allem das qualitative Verhältnis unterschiedlicher Zeitgestaltungen zueinander gemeint und ist bestimmend für die wahrgenommene Qualität der musikalischen Zeit, geprägt durch Klang, Bewegung, Rhythmus, Dichte, Spannungs-/ Entspannungszustände aller Art und auch Stille. In diesem Sinne hat Form nichts mit einem äußeren Formschema zu tun, sondern mit der inner(st)en Stimmigkeit (oder auch Unstimmigkeit) eines musikalischen Ganzen.

 

immanENtia zeichnet sich durch ein kompositorisches Prinzip der ‚Immanenz‘ aus: alles, was erklingt, entsteht aus der Umformung des unmittelbar vorangegangenen Materials. Nur die Musik des 1. Taktes ist ‚gesetzt‘ (und auch der angehängte, geradezu exterritoriale letzte Takt). Die permanente Umformung des Materials nimmt teilweise sehr unterschiedliche oder unerwartete äußere Formen an, und so entsteht ein Kaleidoskop an musikalischen Gesten und Zuständen, die genauso willkürlich wie zwingend ineinander übergehen oder voneinander abgelöst werden. Form wird hier auch durch ein inneres Prinzip des Vorwärtstreibens und Verbindens bestimmt: Elemente werden einem bestimmten Zusammenhang entnommen und anders ‚gemischt‘ und kontextualisiert, anders ‚gelesen‘. Sie existieren aber stets als Potenzial, als interne Möglichkeit im bereits und gerade Erklungenen, die dann in einer bestimmten Art und Weise realisiert wird (s. Luhmanns „draw a distinction“). Am Ende des Stückes tauchen manche charakteristischen Ausprägungen dieser kontinuierlichen Formwerdung des Materials als erinnerte Segmente auf, nun isoliert und in knappster Form, von jeglicher Ausarbeitung abgeschnitten, gleichsam ‚Chiffren‘ eines mehr oder minder fließenden, vergangenen Geschehens. Trotz der Isoliertheit entsteht auch hier eine Verbindung, nämlich dieser ‚Chiffren‘ miteinander, gefiltert durch Stille und geprägt durch die Knappheit der Elemente und die unmittelbare Wirkung aufeinander.
Der Schluss des Stückes filtert das vorab Erklungene aus, eine Art klingende Chiffre des  Namens Paul Celan: Hommage an den großen Dichter und Vorbote kommender Arbeiten gleichzeitig.

 

immanENtia wurde für den hervorragenden griechischen Pianisten Ermis Theodorakis geschrieben und ist ihm auch gewidmet.

Dauer ca. 21 Min.
Besetzung Klavier
Widmung Ermis Theodorakis