ΧΟΡΟΣ (Chorós) für Ensemble (2005)

In meiner Komposition ΧΟΡΟΣ (gr. „Tanz“, aber auch „das Tanzen“) ließ ich mich von Elementen der griechischen traditionellen Musik inspirieren: feine rhythmisch-melodische Ornamentierungen, Heterophonie, asymmetrische Taktunterteilungen wie auch ein gewissermaßen ekstatischer Tanz-Charakter. (Wie) lässt sich solches Material in einen Kontext zeitgenössischer Musik integrieren?
Ich habe Melodien (in vereinfachter Form) aus drei traditionellen griechischen Tänzen ausgewählt und begann, mit diesem Material in verschiedenen Graden von Nähe und Entfernung zu ihm zu arbeiten. Ich benutzte Techniken wie polymetrische Heterophonie, Überlagerung, rhythmische und melodische Transformation, Mixtur, Kanon, damit ich eine unabhängige,  selbstständige Faktur erreichen kann, obwohl man das tradierte Material in einer mehr oder weniger gefilterten Art durchaus hören kann: seine melodische Aspekte bleiben hörbar trotz struktureller Verarbeitung und neuer Kontextualisierung.

Das Ensemble in ΧΟΡΟΣ ist in vier Gruppen unterteilt, drei davon mit Solo-Instrumenten: das Ziel war, dadurch Variabilität aber auch Klarheit und Kontrast zu ermöglichen. Darüber hinaus ist eine Instrumenten-Gruppe eine Art von ‚Hyper-Instrument‘, das zahlreichere Möglichkeiten als ein einfaches Instrument impliziert (Mixturen, Überlagerungen, Klangobjekt-Bildung etc.).

Am Ende stellt sich doch die Frage: warum gerade ein solches Material verwenden? Im Fall dieses Stückes gab es u.a. eine doppelte Motivation: einerseits durch diese bestimmte Art von Vitalität in Melodie und Rhythmus einen quasi archetypischen Tanz-Charakter ‚heraufzubeschwören‘, andererseits eine kurze Hommage auf eine Form von traditioneller Musik zu schreiben, die großen Reichtum und langen historischen Hintergrund besitzt. Nicht zuletzt wird hier das Verhältnis zwischen traditioneller und zeitgenössischer Kunstmusik thematisiert, wobei der Konflikt zwischen Tradiertem und Neuem, Volkstümlichem und Kunstvollem, ‚Geerbtem‘ und ‚Erworbenem‘ zum zentralen Spannungsfeld avanciert.

„ΧΟΡΟΣ“ ist Auftragswerk der Internationalen Ensemble Modern Akademie und wurde mit Mitteln der Kulturstiftung des Bundes und des Paxos Spring Festival finanziert.
Das Stück ist meiner Mutter, Dora Vlitaki, gewidmet.

Entstehung

Auftragswerk der Internationalen Ensemble Modern Akademie und des Paxos Spring Festival

Dauer ca. 8 Min.
Besetzung 1 Flöte, 2 Klarinetten, Klavier zu 4 Händen, 4 Violinen, 1 Viola, 3 Violoncelli
Widmung Dora Vlitakis
Aufführungen (Auswahl)
  • 06.2005 (UA), Paxos (Griechenland); Mitglieder von Ensemble Modern und Teilnehmer der IEMA/des Paxos Spring Festival
  • 06.2005, Konzertsaal der Gennadios Bibliothek in Athen; Mitglieder von Ensemble Modern und Teilnehmer der IEMA/des Paxos Spring Festival
  • 10.2007, HfMDK Frankfurt a. M. (Kulturtage der EZB);
    Ensemble Modern, Leitung: Kasper de Roo